„Befreit die Tiere aus der religiösen Schmuddelecke“

„Befreit die Tiere aus der religiösen Schmuddelecke“

Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.
1. Johannesbrief 3,8

Der Sonntag, Zeitung der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens Nr. 9 vom 26.2.2012
„Den Teufel darfst du dir nicht als Tier mit Hörnern, Hufen oder als reißende Bestie vorstellen“, ist oft zu hören. Dennoch: tief in der christlichen Vorstellung hat sich der Teufel in Tiergestalt festgesetzt. Tierische Monster befinden sich unter Taufsteinen; Raben, Katzen und Eulen begleiten Hexen. Ketzer, mit Satan im Bunde, verwandeln sich nachts in Wölfe… Andere Religionen haben Tiere verehrt, im Christentum wurden sie dämonisiert.

Tiere verkörpern Emotion und Triebhaftigkeit. Sie sind das „Animalische“ schlechthin, das der Mensch selbst tief in sich fühlt, aber dem bösen Triebe zuordnet. Georg, der Drachentöter, ist das Seelenbild des Menschen, der mit dem Tier in sich ringt und die Schlacht gegen den eigenen Körper schlägt.

Nicht nur, dass dadurch die Tiere tief diskreditiert sind, auch das unser Verhältnis zum Kreatürlichen hat schweren Schaden genommen. Welch vergeblichen Kampf gegen uns selbst haben wir uns aufgeladen und unser „Tiersein“, das nichts Schlechtes ist, verleugnet? Die Kirche sieht bis heute das Tier abgrundtief vom Menschen geschieden, auch in der Moral und Darwin hat die christliche Seele tief verletzt, als er nachwies, dass der Mensch ein Tier ist – wenn auch ein ganz spezielles. Er gehört zum Reich des Lebendigen und ist „Leben inmitten von Leben, das leben will“ (Albert Schweitzer).

Es ist Zeit, die Tiere aus der religiösen Schmuddelecke zu befreien, ihnen ihre Würde als Mitgeschöpfe wieder zu geben. Das Böse ist anders zu orten. „Böse ist, was Leben zerstört“, hat es Albert Schweitzer auf den Punkt gebracht. Die Werke des Teufels zerstören heißt: sich fürs  Leben auf dieser Erde einzusetzen und „Ja“ zum Leben zu sagen, das in uns ist.

Ulrich Seidel