Pressemitteilung der „Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e. V.“ - Koalitionsvertrag - Landwirtschaftspolitik und Tierschutz nur als Nebensächlichkeit behandelt

Nachdem nun ein halbes Jahr ins Land gegangen ist und nach der Bundestagswahl quer durch alle Farben der Parteienlandschaft verhandelt wurde, geht das, was dabei für Landwirtschaft und Tierschutz ausverhandelt wurde, gegen Null. Außer Absichtsbekundungen und Selbstverständlichkeiten ist nichts Zukunftstaugliches zu lesen.

„Wir wollen weniger Bürokratie und mehr Effizienz für eine marktfähige Landwirtschaft, die gesunde Lebensmittel nachhaltig produziert...“  man könnte auch sagen, wir wollen die Quadratur des Kreises.

Das, was in der sogenannten modernen Landwirtschaft als effizient dargestellt wird, ist ein Trugschluss. Die derzeitig betriebene Landwirtschaft ist das Ineffizienteste überhaupt. Sie verbraucht mehr Energie, als sie am Ende zur Verfügung stellt. Effizienzsteigerung und Weltmarktorientierung, Prinzipien aus der Wirtschaft, stehen einer nachhaltigen und Ressourcen schonenden Landwirtschaft diametral entgegen.
Wachstum und Effizienz sind nicht die Lösung unserer Probleme, sie sind das Problem selbst, weil es keine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und
Umweltzerstörung gibt (nach Prof. Paech, Univ. Oldenburg).
Das gilt in ganz besonderem Maße für die Landwirtschaft und die landwirtschaftli-che Produktionsweise. Für den Tierschutz hat man sich in dem Koalitionsvertrag gerade mal ein paar Zeilen abgerungen. Ein „Tierwohllabel“ á la Minister Schmidt soll zukunftsweisend sein.
Es soll dem Verbraucher suggerieren, es würde ja alles für die Tiere getan - de facto ist es eine bis zur Unkenntlichkeit verzwergte Maßnahme.
Das war sicherlich nicht damit gemeint, als man vor 15 Jahren den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere als Staatszielbestimmung ins Grundgesetz aufgenommen hat (Absatz 20a GG).

Wer es mit dem Schutz der Tiere und mit dem entsprechenden, im Grundgesetz festgeschriebenen Auftrag ernst meint, müsste endlich tierquälerische Haltungsformen und Missachtung der tierlichen Unversehrtheit und Würde unter Strafe stellen und nicht die sogenannten Stalleinbrüche zum Straftatbestand erheben. Wenn der Staat die Tiere nicht schützt, sind nach dem Grundgesetz wir als Bürger aufgerufen dies zu tun, um Schlimmeres zu verhindern. Die „effektive Ahndung“ von Stalleinbrüchen, ist auch nach Auffassung der Landestierschutzbeauftragten der Länder eine Mogelpackung.

„Der von den Gerichten in solchen Fällen festgestellte ‚rechtfertigende Notstand‘ bleibt natürlich als Rechtsprinzip bestehen“, so Frau Dr. Madeleine Martin, Landestierschutzbeauftragte des Landes Hessen seit 1992. In solchen Fällen wird es auch weiterhin bei Straffreiheit bleiben.

Einmal mehr wird versucht, die Überbringer der schlechten Botschaft mundtot zu machen, nicht etwa die sogar für Gerichte inzwischen offensichtlichen Missstände im Vollzug zu beheben. Das schwerwiegende Vollzugsdefizit bei der Durchsetzung des Tierschutzgesetzes wird dadurch nicht beseitigt!